Lachyoga - der heitere Weg zu Ahimsa

07.03.2009 | Yoga-Vidya Journal

„Ein gesunder Mensch lacht und ist glücklich“. Dieses Zitat stammt von Swami Sivananda, einem großen Yogameister des letzten Jahrhunderts. Sein intuitives Wissen über die segensreiche Heilkraft des Lachens auf Körper, Geist und Seele wird heutzutage durch die Wissenschaft vom Lachen (Gelotologie) in vielfacher Hinsicht bestätigt. Wer viel lacht, schützt sich auf natürliche Weise.

Der Herzschlag steigt, Blutdruck und Kreislauf werden angeregt, der Atemrhythmus wird beschleunigt, die Länge und Dauer der Ausatmung wird gesteigert und die Lungen wesentlich stärker durchlüftet. 17 Gesichtsmuskeln und Hundert sonstiger Muskeln werden beansprucht. Die Produktion und Zirkulation von Glückshormonen und das Immunsubstanzen wird stimuliert. Die Schmerztoleranz wird erhöht. Das Gehirn bekommt eine Sauerstoffdusche, was die kognitiven Fähigkeiten fördert. Noch 24 Stunden nach intensivem Lachen besteht eine erhöhte Immunabwehr. Man fühlt sich entspannt und gelöst.

Auf Basis dieser Erkenntnisse aus der Lachforschung (Gelotologie) wurde Lachyoga (Hasya Yoga) 1995 von dem indischen Arzt und Yogalehrer Dr. Madan Kataria entwickelt. Seine Frau Madhuri, die ebenfalls Yogalehrerin ist, war maßgeblich daran beteiligt. Weil viele seiner Patienten in Mumbai (früher Bombay) zu arm waren, um Medikamente bezahlen zu können, forschte der Internist nach alternativen Möglichkeiten. Hierbei entdeckte er, dass im Lachen ein großes Potenzial an gesundheitsförderlichen Eigenschaften steckt.

Lachen wir schon genug?
Oder warum sollten wir mehr lachen? Auf dem Wellness- und Esoterik-Markt gibt es genug Angebote, um sich in einen Rundum-Wohlfühl-Zustand versetzen zu lassen. Wir haben doch genug Anlässe zu lachen, oder? Genau das haben wir verinnerlicht. Wir lachen mit dem Kopf, wir brauchen einen Grund. Unser Lachen ist von Auslösern abhängig, denen ein kognitiver Prozess vorausgeht. Wir geben uns die Erlaubnis zu lachen, wenn wir glauben, dass es passt.

„So lachen wir nicht nur nicht ohne ausreichenden Grund, wir lieben auch nicht ohne ausreichenden Grund. Wir sind nur glücklich, wenn Gründe dafür vorhanden sind. Ist dies alles wirklich notwendig?“ fragt der Soziologe Walter Birklbauer in seinem Buch „Warum Lach-Yoga?“

Oder geht uns das Lachen verloren?
Kleinkinder gackern und prusten bis zu 400 mal am Tag, mit und ohne Grund. Sie lachen körperlich und aus vollstem Herzen. Bei einer Emnid-Umfrage aus dem Jahr 2005 gaben ein Drittel der Befragten an, schon lange nicht mehr laut gelacht zu haben. 91 Prozent wünschten sich, öfter mit anderen scherzen zu können.

In den fünfziger Jahren wurde rund dreimal soviel gelacht wie heute - durchschnittlich 18 Minuten pro Tag. Das erscheint paradox, angesichts der Not nach dem zweiten Weltkrieg. Hohe Arbeitslosenzahlen, hohe Scheidungsquoten, Einsamkeit und wachsender Arbeitsdruck sind vielleicht einige der Gründe, die uns zum Lachen anscheinend in den Keller gehen lassen.

Was ist Lachyoga?
Lachyoga hat keinerlei Affinität zu Comedy, Entertainment oder Performance. Manche Medienvertreter glauben aus Unkenntnis, hier immer wieder einen Zusammenhang herstellen zu können. Verständlicherweise, denn es ist so erheiternd Lachyogis beim „Löwenlachen“ zuzuschauen, wenn sie Augen rollend die Zunge herausstrecken, herumgaukeln und grimmiges Gelächter aus ihren Kehlen ertönt.

Hasya Yoga ist ein funktionierendes Werkzeug, ein Programm, das es ermöglicht, auch ohne Grund zu lachen. Es ist wie ein Korkenzieher, der einen edlen Tropfen zugänglich macht. Hasya Yoga führt den Praktizierenden an seine Lachquelle.

Die unterschiedlichen Übungen regen dazu an, zunächst einmal willentlich, künstlich zu lachen. Man tut so als ob man lachen würde, so wie ein Schauspieler in einer Rolle. Früher oder später macht es „Plopp“ und der echte Lach-Kick kommt.

„Fake it, fake it, until you make it“, heißt es unter Lachyogis. Lachübungen werden meistens in Gruppen praktiziert, weil es so ganz leicht ist, vom zunächst simulierten Lachen in echtes Lachen überzuwechseln. Für den Körper macht es keinen Unterschied, ob er einen realen Grund zum Lachen hat oder nicht. Die physiologischen und psychologischen Abläufe beim Lachen sind eng miteinander verwoben.

Wie wirkt Lachyoga?

In seinem Buch bezieht sich Walter Birklbauer auf neuronale Wirkungen. Er schreibt „Sämtliche Formen psychischer Prozesse spiegeln sich wiederum in neuronalen Erregungsmustern wider, die von frühester Jugend an immer wieder aktiviert und wiederholt werden und so die Bereitschaft für die leichtere Auslösbarkeit einer emotionalen Richtung bahnen.“

In unserem unbewussten Gedächtnis hinterlassen Lebenserfahrungen tiefe Spuren und prägen so unser Verhalten. Gute Erfahrungen werden anders abgespeichert als schlechte. Eine negative emotionale Grundrichtung erzeugt eher Stresshormone, eine positive emotionale Grundrichtung eher Glückshormone. Häufiges Wiederholen bedeutet Training des jeweiligen neuronalen Erregungsmusters.„Die mit negativen Emotionen befassten Hirnregionen entwickeln sich besonders gut.“ (Grawe 2004)

Nervenzellen können wachsen und sich verändern. Die Hirnforschung hat herausgefunden, dass neuronale Verbindungen offenbar wie ein Muskel funktionieren. Der wissenschaftliche Fortschritt macht sichtbar, dass psychische Vorgänge stets mit körperlichen Reaktionen verbunden sind.

„Die Fantasie wird zur Wirklichkeit durch die Wirklichkeit der Fantasie“,
bringt es Birklbauer auf den Punkt. Lachyoga löst positive Erregungsmuster aus und erzeugt diese. Lachen „füttert“ uns mit Endorphinen und trainiert unsere neuronalen Ressourcen. Beim Meditieren werden auch ähnliche Erregungsmuster angelegt, wie beim realen Erleben. Die Simulation ist zwar unecht, was sie aber im Körper auslöst, ist echt. „Lachen“ ist plötzlich nicht mehr nur lustig, sondern macht unerwartet auch Sinn.“

„Wer künstlich lacht, kitzelt das Lächeln. Das spielerische 'so-tun-als-ob' wird zum kleinen Hilfsfallschirm, der keine andere Bedeutung hat, als genau diese, nämlich das Öffnen des Hauptfallschirms sicherzustellen“ so Birklbauer. Menschen, die unter Depressionen leiden, kann Lachyoga ein Adjutans sein, welches dabei behilflich ist, Medikamente zu reduzieren.

Ein „Löwenlachen“ zur Entspannung
Lachyoga-Übungen sind einfach und effektiv. Sie bestehen aus einer Kombination aus Dehn-, Klatsch-, Atem- und Lachübungen, die verschiedene Organsysteme ansprechen. Die ersten Übungen beginnen normalerweise mit initiiertem Lachen, das früher oder später in echtes Lachen übergeht. Die Teilnehmer lachen miteinander und nehmen so visuell und akustisch zueinander Verbindung auf.

Die Gesichter und Blicke zu sehen ist ebenso ein wesentliches Lachyoga-Element wie das Kichern und Prusten der anderen zu hören. Mittlerweile gibt es Hunderte von Übungen, die lustige Namen haben wie „Löwenlachen“, „Gurulachen“, Jackpot-Lachen“ oder „Handylachen“. Auf der ganzen Welt verbreitet sich diese Methode in beeindruckender Weise. In mehr als 10.000 Lachclubs in 100 Ländern, wovon über 100 Lachclubs in Deutschland sind, wird kollektiv gelacht.

Ahimsa durch Lachyoga
Lachclubmitglieder pflegen einen herzlichen und friedlichen Umgang miteinander. Wer miteinander lacht, benötigt keine Maske, um sich dahinter zu verstecken. In Lachclubs gilt der Grundsatz, nicht auf Kosten anderer zu lachen. Mit der Zeit bilden sich auf natürliche Weise yogische Tugenden heraus, wie Ahimsa, das Nicht-verletzten durch Gedanken, Worte oder Taten. Wer im Frieden mit sich selbst ist, verbreitet ihn auch unter seinen Mitmenschen.

Regelmäßiges Lachtraining entwickelt die Fähigkeit, auch im Alltag häufiger und ausdauernder zu lachen, weil die entsprechende Muskulatur gekräftigt wird und wie wir gesehen haben, das Gehirn immer mehr Rezeptoren hierfür bildet. So entdeckt ein Lachyogi viele Anlässe für Heiterkeitsausbrüche, die ihm früher wohlmöglich kaum ein müdes Lächeln entlockt hätten.

Der Sinn für tiefgründigen Humor verfeinert sich und eine liebevoll geprägte Selbstironie schiebt sich vor übertriebene Ernsthaftigkeit und den heutzutage weit verbreiteten Perfektionismus-Anspruch. Denkblockaden werden aufgelöst und Kreativität kommt ins Fließen. Talente können sich frei entwickeln.

Ein Lachyogi verfügt mit der Zeit über ein besonders subtiles Empfinden im Manipura-Chakra. Das Vishuddha-Chakra wird beim Lachen in positive Schwingungen versetzt, was Auswirkungen auf die Schilddrüse, Ausdrucksvermögen und Stimme hat. Lachen spricht auch alle anderen Chakren an.

Anwendungsgebiete
In Indien werden Polizisten in Lachyoga geschult. Auch in Gefängnissen dort versucht man Aggressionen und Depressionen der Insassen mithilfe von Lachyoga-Übungen zu mildern. An vielen Schulen in Indien machen die Schüler morgens auf dem Hof unter Anleitung Lachyoga-Übungen.

Die mit Abstand meisten Lachclubs existieren auf dem Subkontinent, der Wiege des Lachyogas. Eine Lach-Session dauert nur 20 Minuten und findet meist morgens vor der Arbeit statt.

Hierzulande findet Lachyoga eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten. Als Add-on beim Hatha-Yoga, in sämtlichen therapeutischen Zusammenhängen, beim Sport, im Wellness-Bereich, in Selbsthilfe-Gruppen von chronisch Kranken, in Senioren-Gruppen, im Business, im Rahmen der Gesundheitsvorsorge uvm.

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